
«Von aussen betrachtet, ist Kammermusik möglicherweise «demokratischer» als ein Violinkonzert, aber in Wahrheit stimmt das nicht.»
Weltklasse-Geigerin Julia Fischer im Gespräch mit Oliver Schnyder
Die Gründung der Orpheum Stiftung, deren illustrem Künstlerischen Kuratorium du angehörst, fällt genau in die Zeit, in der wir uns vor 33 Jahren zum ersten Mal begegneten. Wie hast Du unsere Förderstiftung über die Zeit wahrgenommen?
Immer wieder haben junge Kolleginnen und Kollegen von mir die Gelegenheit bekommen, dank der Orpheum Stiftung zum Beispiel mit dem Tonhalle-Orchester Zürich zu musizieren. Solche Gelegenheiten sind für junge Musiker enorm wichtig.
Welche Förderung war für dich zu Karrierebeginn entscheidend?
Yehudi Menuhin hörte mich 1995 bei seinem Wettbewerb und spielte daraufhin einige Konzerte mit mir bis zu seinem Tod 1999. Mit David Zinman verband mich eine ähnlich intensive Zusammenarbeit, die mich zu vielen unterschiedlichen Orchestern führte. Christoph Eschenbach ermöglichte mir 1999 mein Debut beim Chicago Symphony Orchestra.
Bis heute spiele ich nur mit wenigen Dirigenten zusammen, mit diesen dafür sehr regelmäßig. Die sich daraus ergebende Kontinuität ermöglicht es, interpretatorische Grenzen immer weiter auszuloten und auszureizen.
Seit jeher setzt du dich vehement für die Kammermusik ein. Bist du als Solistin mit den grossen Orchestern gewissermassen auch Kammermusikerin?
Oder schlüpfst du in unterschiedliche Rollen?
Von aussen betrachtet, ist Kammermusik möglicherweise «demokratischer» als ein Violinkonzert, aber in Wahrheit stimmt das nicht. Es gibt Momente, wo ich als Solistin führe und andere, wo ich begleite – genauso wie in der Kammermusik. Ich kommuniziere durch die Musik, als Solistin wie als Kammermusikerin.
Welche «Codes» sind für Schubert-Interpretierende zu knacken, um diese ganz eigene Ausdruckswelt überzeugend zu erschliessen?
Schubert ist tatsächlich eine ganze eigene Welt. Ich denke, es hat damit zu tun, dass er mit einem Fuss noch in der Wiener Klassik steht, mit dem anderen in neuen romantischen Klangwelten. Ausserdem blieb ihm zu Lebzeiten der Erfolg verwehrt, so dass er eigentlich nicht für das Publikum sondern für sich selbst geschrieben hat. Die intime Ausdruckswelt steht gewissermassen im Widerspruch zur naturgemäss extrovertierten musikalischen Kommunikation mit dem Publikum.



